Vier-Tage-Woche

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Vier-Tage-Woche

Beitrag vom 06. April 2023

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„Die Vier-Tage-Woche: Die konsequente Fortführung der Arbeitszeitverringerung durch eine erhöhte Produktivität oder ein Schritt in die falsche Richtung?“

Anfang dieses Jahres wurde ein im Jahr 2022 in Großbritannien durchgeführtes Pilotprojekt zu den Auswirkungen der „Vier-Tage-Woche“ veröffentlicht.

Schon zwischen 2015 und 2019 wurden in Island zwei ähnlich gelagerte Experimente durchgeführt. Dabei wurde mit 2.900 Arbeitskräften (dies entspricht ca. 1,5 % der berufstätigen Bevölkerung Islands) die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich getestet. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit denen des britischen Pilotprojektes.

Das britische Pilotprojekt und seine Ergebnisse werden gerade vielfach und häufig unkritisch und als allgemeingültig rezipiert. Um überhaupt einen sachlichen Diskurs zu diesem Thema zu führen, ist es zunächst einmal wichtig, die Vier-Tage-Woche zu definieren und ihre unterschiedlichen Variationen voneinander abzugrenzen.

Ausgangssituation

Bei der Betrachtung der Vier-Tage-Woche wird zunächst unterschieden zwischen

  1. der Vier-Tage-Woche mit 10 Arbeitsstunden pro Tag, oder
  2. einer 32 Stunden Woche mit vollem Lohnausgleich,
  3. sowie mit einem an die Arbeitszeit angepassten Lohn (80%).

In der öffentlichen Diskussion wird sich überwiegend, wenngleich unausgesprochen, auf die Vier-Tage-Woche mit 8 Arbeitsstunden pro Tag bei vollem Lohnausgleich bezogen, weshalb wir uns in diesem Artikel auf diese Variante fokussieren.

Das britische Pilotprojekt

Wie war das britische Pilotprojekt aufgebaut und welche Ergebnisse konnten festgestellt werden?

Das Pilotprojekt betrachtete dabei (nur) 61 Unternehmen, welche die Vier-Tage-Woche nach dem 100-80-100 Modell testeten. Dies bedeutet, dass 80% der ursprünglich vereinbarten Stunden (32 statt 40) bei 100% des Lohns geleistet werden, wobei die Mitarbeitenden zusagen, weiterhin 100% des vorherigen Outputs zu erreichen.

Die zentralen Ergebnisse des Pilotprojektes sind:

  • 92% der Firmen wollen die Vier-Tage-Woche beibehalten.
  • 39% der Mitarbeitenden waren weniger gestresst und 71% konnten ihr Burnout-Level reduzieren.
  • Bessere Vereinbarkeit bei Pflegearbeit, Work-Life-Balance sowie Kinderbetreuung.
  • Umsatz der Unternehmen nahezu stagniert (+1,4%).
  • Mitarbeiterfluktuation deutlich verringert (-57%).
  • Verringerung der Krankheitstage um 65%.

Die Ergebnisse unterscheiden sich dabei je nach betrachteter Branche. So seien im produzierenden Gewerbe Beschwerden wie Schlafprobleme oder Burnout zurückgegangen, während im Dienstleistungssektor die Mitarbeitenden vermehrt Zeit für Sport und andere Aktivitäten gewönnen. Gerade die Verringerung der Krankentage könne sich auch dadurch erklären lassen, dass den Arbeitnehmer*innen durch die Vier-Tage-Woche ein freier Arbeitstag gegeben wurde, an welchem beispielsweise Handwerker- oder Behördentermine wahrgenommen werden konnten.

Das setzt allerdings voraus, dass die gewonnene Zeit vorrangig für die Regeneration eingesetzt wird und nicht etwa für einen Zweitjob.

Lassen sich die Ergebnisse auf alle Unternehmen übertragen?

Zunächst ist noch einmal festzuhalten, dass es sich sowohl auf Island als auch in Großbritannien lediglich um Pilotprojekte handelte, nicht etwa um repräsentative Studien (was von den Verfassern auch nicht behauptet wird).

Das 100-80-100 Modell funktioniert natürlich nur in Unternehmen, in denen ein gleicher Output mit 80% der Zeit erreichbar ist. Gerade Unternehmen im produzierenden Gewerbe mit einer großen Anzahl an Fließbandarbeiter*innen verlieren effektiv Arbeitsleistung, da die Fließbandstelle nur noch zu 80% der Zeit besetzt wird. So hatte in der zuletzt vielfach diskutierten britischen „Studie“ der sekundäre Sektor nur einen Anteil von 13%. Dies lässt sich als eine der Schwächen des Pilotprojektes identifizieren, welche eine generalisierende branchenübergreifende Aussage erschwert. Zumindest für Dienstleistungsunternehmen, welche das Gros der Befragten stellten, könnten die Ergebnisse des Pilotprojektes jedoch von Relevanz sein. 

Ist diese Entwicklung zeitgemäß?

Die flächendeckende Einführung von Home-Office hat dazu beigetragen, dass sich viele Menschen ihre Arbeitszeit selbstständig einteilen und oftmals ihre Aufgaben auch in kürzerer Zeit erledigen können. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Einführung der Vier-Tage-Woche eine logische Konsequenz für Unternehmen, in welchen eine flexible Arbeitseinteilung möglich ist. In Japan hat das Unternehmen Microsoft bereits 2019 versuchsweise eine Vier-Tage-Woche eingeführt und dabei eine Steigerung der Produktivität um 40% feststellen können. Parallel zur Einführung der Vier-Tage-Woche wurde gleichzeitig auch die Dauer von Meetings beschränkt und deren Anzahl reduziert. Dies zeigt, dass zusätzlich zur Einführung der Vier-Tage-Woche begleitende Maßnahmen benötigt werden, um der Produktivität des Unternehmens nicht zu schaden. Insbesondere in Berufen, in denen die Qualität der Entscheidungen deutlich relevanter als deren Anzahl ist, kann die Einführung einer Vier-Tage-Woche Sinn ergeben. So kann sich die Qualität der erbrachten Leistung verbessern, da Mitarbeiter, die weniger gestresst und müde sind, tendenziell weniger Fehler machen und hochwertigere Resultate erzielen können.

Alternativen

Andere Entwicklungen können einen jedoch zu einem konträren Schluss kommen lassen. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel sehen viele Politiker und Forscher das Modell der Vier-Tage-Woche kritisch. Die Reduzierung der Arbeitszeit sei dabei problematisch, wenn bereits mit der regulären Arbeitszeit vielerorts Fachkräfte fehlen.

Im deutschen Handwerk ist aus diesem Grunde die Entwicklung der Vier-Tage-Woche mit 10 Arbeitsstunden pro Tag zu beobachten. Es gibt hinreichend Berichte darüber, dass sich die Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterrekrutierung in solchen Unternehmen positiv entwickeln.

An Grenzen stößt dieses Modell aber bei der gesetzlichen Höchstarbeitszeit.  So fordert der Verband ZDH von der Politik eine Abschaffung bzw. Anpassung derselben. "Es gibt viele Wünsche, diese auf eine Wochenhöchstarbeitszeit umzustellen, um mehr Flexibilität in der täglichen Arbeitszeit zu bekommen", sagt Generalsekretär Holger Schwannecke (ZDF.de vom 08.03.2023).

Einen radikalen Ansatz verfolgte Südkorea. So wollte die südkoreanische Regierung die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 52 auf 69 Stunden pro Woche erhöhen, um flexibler Belastungsspitzen in den jeweiligen Unternehmen abzufangen. Auch wenn dieser Plan Mitte März 2023 wieder verworfen wurde, zeigt dies doch, dass die Diskussion über eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich an der Lebensrealität vieler Menschen weltweit vorbei geht.

Blick zurück

Die Idee der Vier-Tage-Woche ist nicht neu. In der Praxis hatte der VW-Konzern schon 1994 die Vier-Tage-Woche eingeführt, um damals die Entlassung von 30.000 VW-Beschäftigten zu verhindern. Die Arbeitszeit wurde um 20 % von damals 36 Stunden auf 28,8 Stunden abgesenkt, die Einkommen wurden lediglich um 10 % gesenkt. 2006 wurde die Arbeitszeit wieder angehoben, weil sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen im Konzern wieder deutlich verbessert hatten.

 

Bild: Shutterstock / Dmitry Demidovich

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