Beitrag vom 19. September 2022
Arbeitgeber verpassen eine große Chance, wenn sie die Generation der Babyboomer nicht mehr im Recruitment-Prozess beachten.
Zum Abschluss unserer Reihe „Warum soll ich für dich arbeiten“ betrachten wir die Generation der Babyboomer.
Als Babyboomer werden alle Personen bezeichnet, welche zwischen 1955 und 1965 geboren sind. Die Bezeichnung Babyboomer resultiert aus der damalig deutlich erhöhten Geburtenrate („Babyboom“), welche nach Ende des 2. Weltkrieges einsetzte. Gebremst wurde diese Entwicklung erst 1965 durch die Einführung der „Antibaby- oder Kinderwunschpille“.
Die Eltern der Babyboomer, die den 2. Weltkrieg und seine Folgen erlebt hatten, wurden durch Hunger, Verzicht und Härte geprägt. Dies floss auch in die Erziehung der Babyboomer ein, welche schon früh beigebracht bekamen, dass Fleiß und harte Arbeit selbstverständlich sind.
Wie bereits erläutert, sind die Babyboomer eine sehr geburtenstarke Generation. Aufgewachsen und geprägt sind sie in einer Zeit (1960er-1970er), die durch die „Wirtschaftswunderjahre“ geprägt waren.
Zum Eintritt in ihr Berufsleben änderten sich die ökonomischen Voraussetzungen im Westen jedoch drastisch. Die eingetretene Stagflation (Inflation bei stagnierendem Wirtschaftswachstum) sorgte genau dann für einen Nachfragerückgang am Arbeitsmarkt, als ein Großteil der Babyboomer auf genau diesen drängten. Die bereits beschriebene zusätzliche Problematik der schieren Anzahl an Menschen führte dazu, dass in jedem Lebensabschnitt, also auch schon zur Schulzeit, der Konkurrenzkampf enorm hoch war.
Dies prägte die Babyboomer nachhaltig und führte dazu, dass diese Generation der Arbeitsplatzsicherheit einen hohen Stellenwert beimisst. Gleichzeitig ist die Generation der Babyboomer die erste Generation, in welcher Bildung für alle sozialen Schichten zugänglich war. Dazu zählten zum ersten Mal in einem breiten Umfang auch Frauen.
Wo unterscheiden sich die Babyboomer von den folgenden Generationen?
In der Generation der Babyboomer hat die Arbeit im Vergleich zur Freizeit den höchsten Stellenwert (Studie wko, 2017). Daher ist es für Sie essenziell, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen.
Die Identifikation mit ihrer Arbeit führt zu einer hohen Leistungsbereitschaft, diese Arbeitnehmer*innen prägten auch den Begriff „Workaholic“.
Dabei sind sie zielstrebig, organisiert, kollegial und leistungsorientiert. Sie zeichnet eine hohe Erfahrung, Selbstständigkeit und Zuverlässigkeit aus. Da sie sehr meinungsstark und kritisch auch gegenüber neuen Entwicklungen sind, gelten Sie für viele der jungen Generation als zu konservativ und traditionell.
Ihre Teamfähigkeit täuscht nicht darüber hinweg, dass sie sehr karriereorientiert arbeiten und Führungspositionen anstreben. Den persönlichen Austausch schätzen sie sehr und haben daher größere Probleme mit dem Arbeiten im Homeoffice.
Durch die Konzentration auf ein bestimmtes Problem können Babyboomer sehr fokussiert arbeiten, im Umkehrschluss gerät dabei zum Teil das große Ganze etwas aus dem Blick.
Babyboomer haben laut der wko Studie jedoch das Gefühl, dass deren Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird und stattdessen der Fokus auf den nachfolgenden Generationen liegt.
Spannungspunkte ergeben sich bei der Zusammenarbeit zwischen Gen Y / Gen Z und den Babyboomern unter anderem aufgrund der doch erheblichen Altersdifferenz und der daraus resultierenden unterschiedlichen Sozialisation. Autorität ist für die Babyboomer eine wichtige Konstante in ihrem Leben. Diese Autorität muss man sich aus ihrer Sicht erarbeiten und spiegelt sich in der Erfahrung der Mitarbeitenden wider.
Für Unternehmen ist dies ein wichtiger Ansatzpunkt, da der Wissenstransfer zwischen Babyboomern und Gen X/Y/Z eine große Chance darstellen kann.
Viele Arbeitgeber*innen stellen sich nun möglicherweise die Frage, aus welchem Grund auch auf diese Generation noch ein Fokus gelegt werden sollte. Sind nicht circa die Hälfte aller Babyboomer bereits im rentenfähigen Alter?
Dies mag zwar zutreffen, dabei wird jedoch die unübertroffene Arbeitserfahrung dieser Generation außer Acht gelassen. Diese Arbeitserfahrung sowie deren Kontakte und Netzwerke sind als sogenannte „weiche Faktoren“ finanziell schwierig zu bewerten, können aber einen großen Einfluss auf beispielsweise den Erfolg oder Misserfolg von Projekten haben.
Diese Assets gilt es als Unternehmen zwingend zu bewahren und den Transfer bestmöglich zur nächsten Generation zu vollziehen.
Wollen denn wirklich alle Menschen im rentenfähigen Alter nicht mehr arbeiten?
Eine Studie des Nationalen Bildungspanels aus den Jahren 2012 bis 2016 zeigt, dass circa 31% der Frauen und 28% der Männer in den ersten 3 Jahren nach Renteneintritt weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die dafür genannten Gründe sind jedoch nicht primär finanzieller Natur, häufiger genannt wurde stattdessen der Wunsch nach Kontakt zu anderen Menschen, Spaß an der Arbeit sowie das Verlangen nach einer Aufgabe.
Bei nicht erwerbstätigen Rentner*innen wünschen sich 20% der Männer sowie 13% der Frauen die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit. Dieses Potenzial, welches aufgrund des demographischen Wandels in Zukunft eine breitere Bevölkerungsschicht betrifft, sollte von Unternehmen gerade bei temporären Jobstellen nicht vernachlässigt werden.
Doch welche Anforderungen haben die Babyboomer an ihre Arbeitgeber?
Aufgrund ihrer Situation werden Corporate Benefits wie die betriebliche Gesundheitsvorsorge oder andere ärztliche Zusatzleistungen häufig gewünscht.
Neben diesen Sachleistungen geht es den Babyboomern auch um zwischenmenschliche Verbesserungen.
Um die aufkommenden Konflikte zwischen unterschiedlichen Generationen im Unternehmen zu vermeiden, wünschen sich viele Babyboomer eine Verbesserung des Generationenmanagements. Auch das „alterssensible Führen“ gehört dabei dazu.
Arbeitsethik gehört für Babyboomer in einem Unternehmen genauso dazu wie ein guter Umgangston im Miteinander. Daneben ist ihnen auch eine gewisse Formalität wichtig, ordentliche Arbeitskleidung und eine förmliche Anrede sind für sie eine Selbstverständlichkeit.
Dies mag im ersten Moment vielleicht etwas steif wirken, in Wirklichkeit soll ihnen dadurch jedoch Respekt und Anerkennung entgegengebracht werden für ihre Lebensleistung und Berufserfahrung.
Wie können Unternehmen vom Erfahrungsschatz dieser Generation auch weiterhin profitieren und dem gegenwärtigen und stetig wachsendem Fachkräftemangel entgegenwirken?
Gerade bei Projekten könnten Babyboomer in einer beratenden Funktion über einen festgelegten Zeitraum dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Der Erfahrungsschatz sowie die bestehenden Netzwerke helfen gerade bei Projektarbeit immens.
Die Erfahrung unzähliger bereits durchgeführter Projekte kann dann kombiniert werden mit jüngeren Kollegen, welche ihr Wissen in moderner Teamführung in das Projekt einbringen.
Betrachtet man Berufe, die sich durch körperlich belastende Tätigkeiten auszeichnen wie beispielsweise in der Baubranche, so können Babyboomer verständlicherweise ab einem gewissen Alter diese Aufgaben nicht mehr erfüllen. Erfahren sie jedoch eine rechtzeitige Fortbildung, können sie ihre Erfahrung in dieser Branche weitergeben. Sie können unter anderem die Koordination oder Organisation im Bauprojekt leiten oder den jungen Kollegen als Coaches beiseite stehen, ohne weiterhin der körperlichen Belastung ausgesetzt zu sein.
Da die Generation der Babyboomer sich durch Werte wie Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit und Leistungsbereitschaft auszeichnet, wird dies hohe Synergieeffekte mit der Kreativität jüngerer Generationen erzielen.
Auch der Gesetzgeber hat die Herausforderungen des Fachkräftemangels erkannt und die Chance, mit Hilfe der Babyboomer diesem zu begegnen.
Durften Frührentner einen abzugsfreien Zuverdienst von 6.300 EUR p.a. erwirtschaften, wurde in der Corona-Pandemie zwischen 2020-2022 diese Grenze temporär auf maximal 46.060 EUR p.a. erhöht.
Da mit der Erhöhung der Grenze gute Erfahrungen gemacht wurden und als (Teil-) Antwort auf den Fachkräftemangel in Deutschland gesehen wird, liegt gegenwärtig ein Referentenentwurf vor, wonach Frührentner ohne Abzüge auf ihre Rente weiterhin 46.060 EUR p.a. hinzuverdienen dürfen. Damit sendet auch die Politik klare Signale, dass die Babyboomer auch weiterhin im Arbeitsmarkt gebraucht werden.
Mit Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt die Hinzuverdienstgrenze komplett. Die Regelaltersgrenze steigt aktuell schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr an. Im Jahr 2022 liegt sie bei 65 Jahren und 11 Monaten. Für Jahrgänge ab 1964 gilt eine Regelaltersgrenze von 67 Jahren.
Bild: Shutterstock / fizkes
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