Start-ups in der Krise

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Start-ups in der Krise

Beitrag vom 21. August 2023

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In den vergangenen Jahren und speziell seit circa Mitte 2020 hat die Start-up Szene in Deutschland wie auch weltweit eine Boom-Phase erlebt. Das Jahr 2021 stellte dann aus Sicht fast aller Metriken Rekorde auf, in der Anzahl als auch der Höhe der Finanzierungen. Dieser Trend ist im Jahr 2022 bereits deutlich zurückgegangen und droht für 2023 komplett einzubrechen. Was diese Trendwende ausgelöst hat und welche Auswirkungen dies auf die Start-up Landschaft hat, wird im Folgenden genauer erläutert.

Die Start-up-Szene hat in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Neue innovative Ideen und Technologien haben zahlreiche Unternehmer dazu inspiriert, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Allerdings hat die aktuelle wirtschaftliche Lage, gekennzeichnet von steigenden Zinsen und einer schlechteren Wirtschaftsstimmung, auch Auswirkungen auf Start-ups. Die fehlende Finanzierung stellt dabei eine der größten Herausforderungen dar.

Wie finanzieren sich Start-ups überhaupt?

Die Finanzierung von Start-ups war schon immer ein kritischer Faktor für ihren Erfolg. Traditionell haben sich junge Unternehmen auf Venture Capital (Risikokapital) und Business Angels verlassen, um ihr Wachstum zu finanzieren.

Grundlegend wird in Start-ups in mehreren Finanzierungsrunden investiert. In der ersten Phase stellen zunächst die Gründer sowie Friends & Family das Startkapital bereit. In der darauffolgenden „Seed“ Phase wird durch das Start-up die Geschäftstätigkeit angefangen, die durch Business Angels finanziert wird. Um das eigene Geschäftsmodell bei erfolgreichem Start schnell skalieren zu können, werden im Folgenden in sogenannten Series A bis Series D/E Investitionen durch „Venture Capital“ Fonds eingesammelt. Während die Investitionshöhe der Seed-Runde bei circa 50.000 - 500.000 € liegt, werden in der Series A bereits circa 500.000 – 5 Mio. € und in den Series B bis D 5 Mio. – 100 Mio. € benötigt. Alternativ können Start-ups auch „Bootstrapped“ arbeiten, dabei versucht das Unternehmen nur mit Hilfe des eigenen Cash-Flows seine Geschäftstätigkeit zu finanzieren. Gewisse Branchen tendieren jedoch zu einem „Winner takes it all“ Prinzip aufgrund von Synergie- und Netzwerkeffekten, weshalb der Weg der frühen Profitabilität auf Kosten von Wachstum nicht immer durchführbar ist.

Veränderung des Umfeldes

Von Juni 2020 bis Dez 2021 hatten Start-ups in Deutschland wie auch weltweit Hochkonjunktur. Aufgrund der Niedrigzins-Politik und der weiteren Durchdringung unseres Alltags durch das Internet wurden viele Start-ups sehr hoch bewertet. Da der Wert eines Unternehmens mit hohem Wachstum immer durch seine derzeitigen Kapitalkosten abgezinst werden muss und diese aufgrund der Niedrigzins-Politik sehr gering waren, entstanden so innerhalb der kurzen Zeit sehr hohe Unternehmensbewertungen. Durch die deutlich angestiegenen Leitzinsen der Zentralbanken und ein allgemein schlechtes Wirtschaftsklima ist das Deal- und Investitionsvolumen 2022 bereits zurückgegangen und 2023 deutlich eingebrochen. Zudem sind Kapitalgeber zurückhaltend, weil es immer schwieriger wird, Fonds zu kapitalisieren und Unternehmen an der Börse zu platzieren. Das Handelsblatt vom 03.08.2023 titelt gar: „Wagniskapitalfonds in der Krise – nun droht vielen Start-ups die Insolvenz“.

Im ersten Quartal 2023 sind die Investitionen in neue Start-Ups in Europa um 66% gegenüber dem ersten Quartal 2022 zurückgegangen. Während die ersten Finanzierungsphasen noch relativ konstante Volumina aufweisen, sind gerade die Spätinvestition bei etwas reiferen Start-ups deutlich zurückgegangen. In Deutschland haben sich die Investitionen von 2021 auf 2022 um circa 23% verringert und sind auch 2023 deutlich gefallen. Betrug in Deutschland das Investitionsvolumen im 1. Halbjahr 2022 noch ca. 6 Mrd. €, ging es im 1. Halbjahr 2023 um 49% zurück auf 3,1 Mrd. €. Dabei flossen mit mehr als 1,4 Mrd. € knapp 47% der investierten Risikokapitalsummen nach Berlin.

Gerade im Vergleich mit den USA wird der Unterschied in dem Volumen beachtlich. Obwohl auch in den USA ein spürbarer Rückgang verzeichnet wird, ist das Gesamtvolumen aller Risikokapitalbeteiligungen circa 4,5-mal so hoch wie in Europa!

Was für Auswirkungen hat dies auf Deutschland und Europa?

Start-ups sind dafür bekannt, innovative Lösungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den Status quo herausfordern und neue Wege aufzeigen. Eine Verringerung des Start-up-Fundings würde den Innovationsprozess einschränken und es etablierten Unternehmen erschweren, mit neuen Trends und Technologien Schritt zu halten. Dadurch könnten sie gegenüber Konkurrenten aus anderen Ländern, in denen bessere Finanzierungsmöglichkeiten bestehen, ins Hintertreffen geraten.

Des Weiteren würde eine geringere Start-up-Finanzierung dazu führen, dass talentierte Unternehmerinnen und Unternehmer ihr Glück in anderen Ländern suchen, wo bessere finanzielle Rahmenbedingungen herrschen. Dies würde zu einem sogenannten "Brain Drain" führen, bei dem qualifizierte Fachkräfte und innovative Denker das Land verlassen. Der Verlust von talentierten Menschen hätte negative Auswirkungen auf die Innovationskraft und das Know-how in Deutschland und Europa.

Außerdem benötigen Start-ups gerade das Kapital, um aus einer sinnvollen Innovation ein skalierendes und profitables Modell aufzubauen. Wenn dieses Kapital nicht verfügbar ist, könnten vielversprechende Unternehmen ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen und müssten, wie bereits beschrieben, früher Wachstum für Profitabilität aufgeben. Wenn man die derzeitig wertvollsten Unternehmen betrachtet, wird schnell ersichtlich, dass diese größtenteils dank vieler Investitionen stark wachsen und dadurch ab einem gewissen Zeitpunkt eine marktbeherrschende Stellung einnehmen konnten. Fehlende Unterstützung auch von Seiten der Politik könnte dazu führen, dass auch weiterhin die neuen Großkonzerne hauptsächlich außerhalb Deutschlands und der EU entstehen.

So fordert der Vorsitzende des deutschen Start-up Verbandes, Christian Miele, von der Politik eine Vereinfachung bei der Einwanderung von Spitzenpersonal, eine Steigerung der Attraktivität von Start-up Investitionen und den Fokus auf Digitalisierung statt Bürokratisierung.

Können die Start-ups daran etwas ändern?

Die Antwort lautet, wie so oft: „Es kommt darauf an!“

Das Gründerforum „gruenderfreunde.de“ führt Gründe auf, warum Start-ups in Deutschland scheitern:

  • Fehlende Finanzierung
  • Falsche Zielgruppe
  • Mangelnde Erfahrung
  • Konkurrenzdruck
  • Fehlende Marktanalyse
  • Schlechtes Management
  • Fehlende Flexibilität
  • Fehlende Planung
  • Fehlender Fokus auf Kundenbedürfnisse

Daraus wird ersichtlich, warum neben der globalen Kapitalmarktänderung und der sich daraus ergebenden sinkenden Investitionsbereitschaft der Druck auf die Start-ups steigt, sich professionell aufzustellen. „Ich hab´ da mal ´ne tolle Idee“ reicht eben bei weitem nicht aus.

Gibt es eine Start-up Strategie der Bundesregierung?

Tatsächlich ja, wenn auch erst seit Juli 2022. Laut Experten umfasst die Strategie der Bundesregierung die meisten grundlegenden Probleme der deutschen Start-up Szene.

  • Mitarbeiterkapitalbeteiligungen verbessern – gerade steuerrechtlich
  • Fachkräfteeinwanderung vereinfachen
  • Zukunftsfinanzierungsgesetz – zur Bekämpfung der Dry-Income Problematik
  • Unternehmen nun bis zu doppelter Größe von vorherigen Regelungen begünstigen

RegioInnoGrowth

Am 14.08.2023 haben der Bund und die KfW den Vertrag zu „RegioInnoGrowth“ ratifiziert. Ziel dieses neuen Bausteins des Zukunftsfonds ist es, vor allem Start-ups und kleine, innovationsstarke Mittelständler, die in der Regel nicht im Fokus von Venture Capital-Fonds stehen, mit Eigenkapital und eigenkapitalähnlichen Mitteln zur Finanzierung ihres Wachstums zu stärken. RegioInnoGrowth knüpft an das Modell der Mitte 2022 beendeten Säule II des Corona-Hilfspakets des Bundes für Start-ups und mittelständische Unternehmen an. Das Instrument war mit über 1.800 Finanzierungen für Start-ups und mittelständische Unternehmen mit einem KfW/Bundesanteil von rund 600 Mio. € engagiert.

Die drei Eckpfeiler des Programms „RegioInnoGrowth“ sind:

  • Bereitstellung bis zu 450 Mio. € Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Finanzierungen für Start-ups und innovative mittelständische Unternehmen
  • RegioInnoGrowth ermöglicht Refinanzierung regional und passgenau durch die Kooperation der KfW mit den Landesförderinstituten
  • Der Bund übernimmt bis zu 70% des Risikos; private Investoren können eingebunden werden.

Das Programm ist noch nicht verfügbar. Vielmehr wird die Entwicklung von passenden Förderprodukten nunmehr in den Bundesländern intensiv vorangetrieben, um ein regionales Angebot für RegioInnoGrowth an den Start zu bringen.

Die im Ergebnis doch geringe Summe von 450 Mio. € zeigt im Verhältnis zum privat investierten Kapital, dass es sich nur um einen Tropfen auf dem heißen Stein handelt.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Am 07. Juli 2023 beschloss der Bundesrat das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ als einen weiteren Schritt zur Modernisierung Deutschlands. Es tritt ab November 2023 schrittweise in Kraft. Zukünftig wird es drei wesentliche Wege der Fachkräfteeinwanderung geben:

Qualifikation
Mit der blauen Karte EU können etwa IT-Spezialisten, die in Deutschland derzeit besonders gefragt sind, bereits heute mit anerkannten Abschluss nach Deutschland kommen. Für sie wird die Gehaltsschwelle gesenkt, die Dauer der Berufserfahrung gekürzt und auf den Nachweis von Deutschkenntnissen verzichtet. Künftig gilt: Wer einen Abschluss hat, kann jede qualifizierte Beschäftigung ausüben.

Erfahrung
Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann künftig als Fachkraft kommen. Der Abschluss muss nicht mehr zuvor in Deutschland anerkannt werden. Das bedeutet weniger Bürokratie und damit kürzere Verfahren. Mit einer Gehaltsschwelle wird sichergestellt, dass diese Fachkräfte langfristig eine gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben. Wer die notwendige Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss auch weiterhin seinen Berufsabschluss anerkennen lassen. Damit das Anerkennungsverfahren den Arbeitsbeginn nicht verzögert, wird die Möglichkeit einer Anerkennungspartnerschaft zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern geschaffen.

Potenzial
Für Menschen, die noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, aber Potenzial für den Arbeitsmarkt mitbringen, wird eine Chancenkarte eingeführt. Diese basiert auf einem Punktesystem. Zu den Kriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und Potenzial der Lebens- oder Ehepartnerinnen oder -partner.

 

Bild: Shutterstock / Robert Kneschke

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