Nachfolgeproblematik für den deutschen Mittelstand. Aus Sicht der potenziellen Nachfolger.

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Nachfolgeproblematik für den deutschen Mittelstand. Aus Sicht der potenziellen Nachfolger.

Beitrag vom 25. Januar 2023

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Wo steht das Thema Nachfolge im deutschen Mittelstand? Welche Gründe für die Nachfolge gibt es aus Sicht der Mitarbeiter*innen? Was spricht dagegen? Welche Lösungen lassen sich finden?

Die Relevanz des Themas

Was ist der deutsche Mittelstand?

Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zählen 99,3% aller Unternehmen in Deutschland zum Mittelstand, sie beschäftigen 54% aller Arbeitnehmer*innen und erwirtschaften 33% des Gesamtumsatzes (2021). Außerdem sind 71% aller Auszubildenden im Mittelstand beschäftigt.

Folgt man diesen Zahlen, zeigt sich deutlich, wie relevant der Mittelstand für die deutsche Wirtschaft ist. Dabei sind die meisten Mittelständler familiengeführt und oftmals in ihrem Bereich sogenannte „Hidden Champions“.

Wohin steuern die KMUs?

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat in einer 2019 veröffentlichten Studie festgestellt, dass pro Jahr etwa 76.000 Unternehmensnachfolgen angestrebt werden. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) stellt eine Zunahme ihrer Beratungstätigkeiten zum Thema Nachfolge um 50,6% zwischen 2009 und 2019 fest. Ergänzend geht ebenfalls das Institut für Mittelstandsforschung von einer deutlichen Steigerung der Unternehmensübergaben aus. Damit scheint es ein Angebotsüberhang von Unternehmen zu geben.

Wie sieht es jedoch mit der Nachfrage aus? Wie viele Mitarbeiter*innen wollen ein Unternehmen übernehmen?

Wo steht die potenzielle Nachfolge

Während die DIHK einen wachsenden Bedarf an Beratungsgesprächen auf der Angebotsseite der Unternehmen erfasst, sind Beratungsgespräche für potenzielle Gründer*innen stark rückläufig (-50% in den letzten 10 Jahren)!

Auch andere Statistiken zeigen, dass Menschen in Deutschland immer seltener gründen und den Schritt in die Selbstständigkeit nicht mehr wagen wollen. Damit wird auch der Nachfolgeantritt für Mitarbeiter*innen unattraktiv, es herrscht ein vermehrtes Bedürfnis nach abhängigen Beschäftigungsverhältnissen. Laut DIHK kommen auf ein übergabefähiges Unternehmen nur 0,6 Interessenten, 2009 waren es noch 1,7 Interessenten! Ein weiteres großes Problem stellt der demographische Wandel in Deutschland dar. Wenn immer weniger potenzielle Nachfolger*innen in den Arbeitsmarkt eintreten, verschärft sich das Problem für die Unternehmen umso mehr.

Es zeichnet sich ein Problem für den gesamten deutschen Mittelstand ab, ohne Nachfolger*in verschwinden viele KMUs und damit auch deren Arbeitsplätze.

Wollen junge Mitarbeiter*innen überhaupt irgendwann das Unternehmen übernehmen, in welchem sie arbeiten? Welche Gründe sprechen dafür und welche dagegen?

Gründe für die Nachfolge aus Sicht der Mitarbeiter*innen

Ein Vorteil ist, dass man als interner Nachfolger*in kein Unternehmen neu aufbauen muss. Der Aufbau kostet viel Geld und Zeit und bedeutet, jede Menge schwierige Entscheidungen zu treffen. Stattdessen können Nachfolger*innen ihre Zeit und Energie auf ganz neue Themenfelder richten. Die Digitalisierung und allgemeine Modernisierung des Unternehmens sind dafür prädestiniert.

Als Nachfolger profitiert man natürlich auch von den guten Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern. Gerade diese Netzwerke und Kontakte sind nicht zu unterschätzen und erfordern bei einer Neugründung viel Zeit.

Und abschließend bietet eine Nachfolgefunktion dem bisherigen Mitarbeiter*in selbstverständlich finanzielles Wachstumspotenzial. Da dies jedoch auch mit eigenem Risiko verbunden ist, gehen wir darauf im nächsten Abschnitt näher ein.

Gründe gegen die Nachfolge aus Sicht der Mitarbeiter*innen

Die Risikobereitschaft junger Menschen, selbstständig zu sein, ist, wie bereits besprochen, in Deutschland abnehmend. Für viele junge Menschen ist eine Angestelltenkarriere in einem Großunternehmen attraktiver, als die Nachfolge in einem KMU anzutreten.

Ein weiterer Grund, gegen zusätzliche Verantwortung, ist der Druck, welcher auf den potenziellen Nachfolger*innen lastet. Die Mitarbeitenden sind genauso wie Kunden und Zuliefernde an das vorherige Führungspersonal gewöhnt und können auf eine neue Nachfolge kritisch reagieren.

Da gerade in der Generation Y und Z die Angst vor Zurückweisung und Konflikt ausgeprägter als in vorherigen Generationen ist, schreckt dies viele potenzielle Nachfolger*innen ab.

Auch die zusätzliche Zeitbelastung ist für viele junge Menschen problematisch. Eine nicht repräsentative Studie unter uns bekannten beziehungsweise befreundeten Studenten zeigt, dass das Gros junger Studenten nicht mehr gewillt ist, sich überdurchschnittlich im Beruf zu engagieren und auf ihre Work-Life-Balance Wert legen. Viele streben eine Karriere in einem Großkonzern an, da ihnen Internationalität, eine bekannte Marke und damit ein Arbeitgeberimage und ein vermeintlich moderneres Arbeitsumfeld wichtiger sind.  

Lösungsvorschläge

Die Bundesregierung hat ebenso wie deutsche Wirtschaftsverbände die Problematik erkannt und versucht, dem entgegenzuwirken. Dafür wird über die Nachfolgeplattform „Nexxt Change“ von dem BMWK eine Möglichkeit für Unternehmen und Interessenten geschaffen, sich zu vernetzen und zueinander zu finden. Das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie geht mit der Initiative „Offensive Unternehmensnachfolge Bayern“ voran und auch die Plattform der HWR Berlin bietet unter www.nachfolge-in-deutschland.de eine Möglichkeit an, den Findungsprozess zu unterstützen.

Finden sich das Unternehmen und die Nachfolge zusammen, gilt es, wichtige Verkaufsmodalitäten zu klären. Bei einem vollständigen Verkauf des Unternehmens spricht man von einem Share Deal, wenn nur einzelne Vermögensgegenstände verkauft werden von einem Asset Deal.

Wollen Sie, wie oftmals präferiert, das Unternehmen an eine(n) Mitarbeiter*in verkaufen, wird dies als Management-Buy-Out (MBO) bezeichnet. In dem Fall, dass das Unternehmen die Nachfolge nicht intern klären kann, ist es auf externe Käufer*innen angewiesen. Wenn diese nach Kauf auch das Management übernehmen, wird von einem Management-Buy-In (MBI) gesprochen. 

Duales Studium und Aufmerksamkeit der Nachfolgenden herstellen

Ein großes Problem für die KMU ist es, die nötige Aufmerksamkeit unter den Studierenden zu wecken. Die Möglichkeit, als Mitarbeiter*in irgendwann einmal die Nachfolge in einem Unternehmen anzutreten und das Unternehmen zu übernehmen, ist vielen Studierenden gar nicht bewusst. Nach Eröffnung dieser Möglichkeit bestand unter den befragten Studierenden ein erhöhtes Interesse für diese Karrieremöglichkeit.

Übertragen auf die Gesamtheit der Studierenden bedeutet das, dass Unternehmen bereits frühzeitig zur Sicherung ihrer Nachfolge in Universitäten werben müssen, auch wenn dies perspektivisch und nicht akut die Probleme lösen kann. Zurzeit sind bei vielen von den Universitäten organisierten Karrieremessen Großkonzerne in der deutlichen Überzahl. Als KMU dort zu werben, bietet viele neue Chancen.

Wie findet man einen guten Nachfolger*in?

Um einen möglichen Nachfolger*in zu finden, muss von Unternehmensseite ein hohes Vertrauen in die Fähigkeiten und Führungsqualitäten des Mitarbeitenden gesetzt werden, auch muss eine gute Beziehung untereinander bestehen. Dafür bietet es sich an, frühzeitig die potenzielle Nachfolge in das eigene Unternehmen zu holen. Neben Praktika und Werksstudentenjobs bieten sich vor allem die Dualen Studiengänge an. So lernen die Mitarbeiter*innen schon frühzeitig das Unternehmen in allen Bestandteilen kennen und das Management kann über einen längeren Zeitraum die Mitarbeiter*innen auf ihre Aufgabe vorbereiten und prüfen.

Die junge Generation ist geprägt vom Sharing-Gedanken und die Konzentration auf die persönlichen Stärken. So liegt es nahe, diesen Ansatz auch bei der Unternehmensnachfolge aufzunehmen und ein „Nachfolgeteam“ zu suchen, das idealerweise innerhalb des eigenen Unternehmens zusammengestellt und auf die neue Herausforderung ausgebildet wird.

Für die Nachfolger*innen bedeutet das, dass sie sich auf ihre persönlichen Stärken konzentrieren können und die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird, was auch bei einer Fremdfinanzierung des Kaufpreises große Vorteile bietet.

Auch die digitale Präsenz ist unerlässlich. Junge Menschen erwarten eine übersichtliche und moderne Webseite, einen digitalen und unkomplizierten Bewerbungsprozess sowie zeitnahe und persönliche Rückmeldungen. Neben der klassischen Webseite sind Portale wie LinkedIn, StepStone, indeed, Instagram oder sogar YouTube gute Möglichkeiten, sein Unternehmen zu präsentieren und potenzielle Nachfolger*innen zu finden.

 

Bild: Shutterstock / fizkes

Nachfolgeproblematik Mittelstand

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